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Trance und Besessenheit sind faszinierende und komplexe Phänomene, die sowohl in der Psychologie als auch in der Spiritualität eine Rolle spielen. Sie werden häufig in rituellen, religiösen oder schamanischen Kontexten beobachtet, finden jedoch auch in moderneren psychologischen Konzepten Beachtung. Beide Zustände beinhalten eine Art verändertes Bewusstsein, unterscheiden sich jedoch in ihren Ursachen, Manifestationen und kulturellen Interpretationen.
Definition von Trance und Besessenheit
Trance ist ein Zustand, in dem das Bewusstsein verändert ist und die Person weniger Kontakt zur äußeren Realität hat. Oft wird dieser Zustand durch Meditation, Hypnose oder Musik herbeigeführt. Der Begriff “Trance” kann sich auf verschiedene Grade eines veränderten Bewusstseins beziehen, von leicht entspannter Aufmerksamkeit bis hin zu tiefen Bewusstseinsveränderungen, bei denen das Subjekt kaum oder gar nicht auf äußere Reize reagiert.
Besessenheit hingegen wird oft als ein Zustand definiert, in dem eine Person von einem fremden Geist oder einer übernatürlichen Kraft übernommen wird. In vielen Kulturen wird Besessenheit als Zustand betrachtet, bei dem eine fremde Entität Kontrolle über den Körper und Geist eines Menschen übernimmt. Diese Entität kann ein Geist, ein Dämon oder eine Gottheit sein. In der Psychologie wird Besessenheit oft als Dissoziation betrachtet, bei der das Individuum die Kontrolle über sein Handeln verliert und sich so fühlt, als ob eine fremde Kraft ihn beeinflusst.
Eine Reise in die Tiefen des menschlichen Bewusstseins
Besessenheit: Beispiele aus verschiedenen Kulturen und Kontexten
1. Christliche Besessenheit und Exorzismus
In der christlichen Tradition, besonders im Katholizismus, wird Besessenheit als eine Situation beschrieben, in der ein Mensch von einem bösen Geist oder Dämon beherrscht wird. Die Bibel enthält mehrere Geschichten über Jesus, der Menschen von Dämonen befreit. Ein bekanntes Beispiel aus der Neuzeit ist der Fall von Anneliese Michel aus Deutschland (1970er Jahre). Die junge Frau wurde als dämonisch besessen angesehen, und trotz moderner medizinischer Diagnosen wurde ein Exorzismus durchgeführt, der mit ihrem tragischen Tod endete. Dieser Fall führte weltweit zu Diskussionen über den Unterschied zwischen religiösem Glauben und psychischen Erkrankungen.
2. Vodou und Loa-Besessenheit
Im haitianischen Vodou spielt Besessenheit eine zentrale Rolle im religiösen Ritual. Es wird angenommen, dass die Loa (Geister oder Gottheiten) gelegentlich die Körper ihrer Anhänger übernehmen, um durch sie zu sprechen und zu handeln. Dies wird nicht als negativ angesehen, sondern als ehrenvolle Erfahrung, die den Betroffenen in einen heiligen Zustand versetzt. Ein Beispiel ist die Besessenheit durch den Loa Papa Legba, der als Mittler zwischen den Menschen und den anderen Loa fungiert. Während der Trance übernimmt Papa Legba die Kontrolle über den Körper des Gläubigen, und dieser spricht und verhält sich, als wäre er die Gottheit selbst.
3. Islam und Dschinn-Besessenheit
Im Islam gibt es den Glauben an die Existenz von Dschinn, übernatürlichen Wesen, die neben den Menschen existieren und sowohl gute als auch böse Naturen haben können. Dschinn können in manchen Fällen Menschen besetzen, was zu Verhaltensänderungen, körperlichem Leiden oder spiritueller Verwirrung führt. In solchen Fällen kann ein Ruqyah, eine islamische Heilungszeremonie, durchgeführt werden, um den Dschinn zu vertreiben. Ein bekanntes Beispiel für Dschinn-Besessenheit ist der Fall, in dem Personen behaupteten, von einem Dschinn in Besitz genommen worden zu sein, der durch den Koran und Gebete zur Flucht gezwungen wurde.
4. Schamanismus und Geisterbesessenheit
In vielen schamanischen Traditionen weltweit ist Besessenheit Teil des spirituellen Prozesses. Der Schamane tritt oft in einen veränderten Bewusstseinszustand ein und lässt sich von einem Geist oder Totem führen, um Heilung zu bringen oder Wissen aus der spirituellen Welt zu erlangen. Ein Beispiel dafür ist die Praxis der Sibirischen Schamanen, die glauben, dass sie von Geistern oder Ahnen besessen werden, um ihre Gemeinschaft zu heilen. Während der Besessenheit spricht der Schamane in der Stimme des Geistes und führt Rituale zur Heilung oder spirituellen Reinigung durch.
5. Die Zar-Besessenheit in Nordafrika
In Äthiopien, Sudan und anderen Teilen Nordafrikas gibt es die Tradition der Zar-Besessenheit, bei der geglaubt wird, dass böse Geister Frauen befallen. Die betroffenen Frauen zeigen oft unkontrollierbare emotionale Ausbrüche oder körperliche Symptome. Um die Geister zu beruhigen, werden besondere Zeremonien durchgeführt, bei denen Musik, Tanz und Opfergaben eine wichtige Rolle spielen. Diese Rituale sind sowohl ein spiritueller als auch ein sozialer Prozess, der den Betroffenen erlaubt, ihr Leiden zu bewältigen.
6. Kulturelle Besessenheit in der Populärkultur
Besessenheit hat auch in der westlichen Populärkultur einen festen Platz gefunden, insbesondere durch Filme und Bücher. Ein Beispiel ist der Film “Der Exorzist” (1973), der auf dem Fall eines angeblich besessenen Jungen basiert und weltweit für Aufsehen sorgte. Diese Darstellung von Besessenheit verstärkte das öffentliche Interesse an Exorzismus und führte zu einer breiten Diskussion über das Phänomen, oft vermischt mit Fiktion und religiösen Vorstellungen.
7. Psychische und medizinische Perspektiven
Während Besessenheit in vielen Kulturen spirituell oder religiös interpretiert wird, wird sie in der westlichen Medizin oft als Ausdruck psychischer Erkrankungen verstanden. Zustände wie dissoziative Störungen oder psychotische Episoden können in manchen Kulturen als Besessenheit interpretiert werden. Ein Beispiel ist die Diagnose der dissoziativen Identitätsstörung (früher Multiple Persönlichkeitsstörung), bei der Betroffene verschiedene Persönlichkeiten entwickeln, die das Verhalten dominieren, was früher als Besessenheit durch fremde Wesen oder Geister angesehen wurde.
Zusammenfassend
Besessenheit ist ein vielschichtiges Phänomen, das in unterschiedlichen kulturellen, religiösen und spirituellen Kontexten auftritt. Während es in einigen Traditionen als ehrenvoller Zustand angesehen wird, bei dem die Person von einer göttlichen oder spirituellen Macht besessen ist, wird es in anderen Kulturen als Zeichen von Gefahr und Bösem gedeutet. Heutzutage besteht ein intensiver Diskurs zwischen religiösen und wissenschaftlichen Perspektiven, die versuchen, Besessenheit entweder als spirituelles Ereignis oder als psychologisches Phänomen zu erklären. Die Vielfalt der Beispiele zeigt, dass Besessenheit ein globales und zeitloses Phänomen ist, das weiterhin die menschliche Vorstellungskraft und Spiritualität prägt.
Psychologische Erklärungsansätze
In der modernen Psychologie werden Trance und Besessenheit häufig durch das Konzept der Dissoziation erklärt. Dissoziative Zustände treten auf, wenn Menschen ihr Bewusstsein von ihrem normalen Alltagsbewusstsein abkoppeln, oft als Reaktion auf extremen Stress oder Trauma.
Dissoziative Identitätsstörung (DIS) ist ein psychologisches Phänomen, das oft mit Besessenheit in Verbindung gebracht wird. Menschen mit DIS erleben mehrere Persönlichkeiten oder “Identitäten”, von denen eine oder mehrere das Bewusstsein “übernehmen” können. In Kulturen, in denen Besessenheit akzeptiert und verstanden wird, kann dieses Phänomen durch spirituelle oder religiöse Praktiken erklärt und möglicherweise weniger pathologisiert werden.
Hypnose, ein weiterer veränderter Bewusstseinszustand, wurde auch in der Psychotherapie untersucht. In der klinischen Praxis wird Hypnose oft verwendet, um Patienten in eine Trance zu versetzen, in der sie Zugang zu tiefen Erinnerungen oder unbewussten Prozessen haben. Dieser Zustand kann therapeutisch genutzt werden, um Ängste zu lindern, Traumata zu behandeln oder Gewohnheiten zu ändern.
Trance: Beispiele aus verschiedenen Kulturen und Kontexten
1. Sufismus und der Dhikr-Tanz (Derwische)
Im Sufismus, einer mystischen Richtung des Islams, spielt Trance eine zentrale Rolle im spirituellen Leben. Der Dhikr, ein rituelles Gedenken an Gott, kann in eine Trance übergehen, wenn Gläubige bestimmte Gebete, Namen Gottes oder Verse aus dem Koran wiederholen. Ein bekanntes Beispiel ist der Tanz der drehenden Derwische, bei dem Sufis sich in einer kreisenden Bewegung drehen, um in einen ekstatischen Zustand zu gelangen. Dieser Tanz soll eine Verbindung mit Gott herstellen und den Tänzer von seinem Ego befreien.
2. Schamanische Trance und Heilungsrituale
Schamanen, die in indigenen Kulturen auf der ganzen Welt praktizieren, nutzen Trance, um in die spirituelle Welt zu reisen und mit Geistern oder Ahnen in Kontakt zu treten. Häufig werden Trommeln, Gesänge oder Atemtechniken verwendet, um einen Trancezustand zu induzieren. Ein bekanntes Beispiel stammt von den sibirischen Schamanen, die Trance nutzen, um Krankheiten zu heilen, indem sie den Ursprung der Krankheit in der spirituellen Welt aufspüren und den betroffenen Geist besänftigen oder vertreiben.
3. Ayahuasca-Zeremonien im Amazonasgebiet
In den indigenen Kulturen des Amazonas wird der Trancezustand oft durch die Einnahme von Ayahuasca, einem psychoaktiven Getränk, erreicht. Ayahuasca enthält DMT (Dimethyltryptamin), eine stark bewusstseinsverändernde Substanz, die intensive visuelle und spirituelle Erlebnisse auslöst. Diese Zeremonien werden von Schamanen geleitet, die den Teilnehmern helfen, ihre Erfahrungen zu interpretieren und spirituelle Einsichten zu erlangen. Die Trancezustände, die durch Ayahuasca hervorgerufen werden, werden oft als tiefgreifende spirituelle Reisen beschrieben.
4. Trance im indischen Tanz (Bharatanatyam)
In einigen klassischen indischen Tanzstilen, wie dem Bharatanatyam, können Tänzer in einen Trancezustand eintreten, während sie durch präzise Bewegungen und rhythmische Muster spirituelle Geschichten erzählen. Diese Tänze sind oft religiöser Natur und sollen die Vereinigung von Körper, Geist und Seele symbolisieren. In besonderen Momenten können sowohl die Tänzer als auch die Zuschauer in einen Zustand der Trance übergehen, der als göttliche Erfahrung oder spirituelle Ekstase wahrgenommen wird.
5. Santería und Orisha-Trance
In der Santería, einer afrokubanischen Religion, spielt Trance eine zentrale Rolle im Kontakt mit den Orishas, den verehrten Gottheiten. In Ritualen, die oft von Musik, Tanz und Trommeln begleitet werden, können Gläubige von einem Orisha “besessen” werden, was als eine Form von spiritueller Trance angesehen wird. Während der Trance übernehmen die Orishas den Körper der Gläubigen und kommunizieren durch sie mit den Anwesenden. Diese Art von Trance wird als heilig angesehen und kann für Heilung oder spirituelle Botschaften genutzt werden.
6. Hypnose und therapeutische Trance
In der modernen westlichen Welt ist Hypnose eine Form der Trance, die oft zu therapeutischen Zwecken verwendet wird. Ericksonianische Hypnose, benannt nach dem Psychotherapeuten Milton H. Erickson, nutzt Trance, um Zugang zum Unterbewusstsein eines Patienten zu erhalten und dort Veränderungen anzuregen, beispielsweise zur Behandlung von Angstzuständen, Süchten oder chronischen Schmerzen. Der Patient befindet sich in einem tief entspannten, fokussierten Zustand, bleibt jedoch wach und ist in der Lage, auf die Vorschläge des Therapeuten zu reagieren.
7. Ekstatische Trance in der brasilianischen Umbanda
In der brasilianischen Religion Umbanda, einer Mischung aus afrikanischen, indigenen und katholischen Elementen, können Gläubige während der Rituale in einen ekstatischen Trancezustand geraten. Bei diesen Ritualen, die von Trommeln und Gesängen begleitet werden, glauben die Gläubigen, dass sie von spirituellen Wesen, den Caboclos (indigenen Geistern) oder Pretos Velhos (Seelen verstorbener afrikanischer Sklaven), besessen werden. Diese Wesen übernehmen den Körper des Gläubigen und sprechen durch ihn, oft um Heilung oder spirituelle Ratschläge zu geben.
8. Musikinduzierte Trance in elektronischen Musikfestivals
Auch in der modernen Popkultur gibt es Beispiele für Trancezustände, besonders in der elektronischen Musikszene. Trance-Musik, ein Subgenre der elektronischen Musik, zielt darauf ab, durch repetitive Rhythmen und Melodien einen tranceartigen Zustand bei den Zuhörern zu erzeugen. Bei Festivals oder Konzerten kann die Kombination aus Musik, Lichtshows und kollektiver Euphorie bei den Teilnehmern das Gefühl hervorrufen, in einen veränderten Bewusstseinszustand überzugehen, der oft als “Flow-Zustand” oder euphorische Trance beschrieben wird.
9. Meditation und Samadhi im Yoga
In den spirituellen Traditionen des Yoga spielt Trance eine zentrale Rolle, besonders im fortgeschrittenen Stadium der Meditation. Samadhi, der höchste Zustand der Meditation, wird oft als tranceartiger Zustand beschrieben, in dem der Yogi völlige Vereinigung mit dem göttlichen Bewusstsein erreicht. In diesem Zustand verschwinden alle weltlichen Gedanken und Wahrnehmungen, und der Meditierende erfährt ein Gefühl der All-Einheit und des Friedens. Dieser Zustand wird als ultimatives Ziel vieler spiritueller Praktiken im Yoga angesehen.
Zusammenfassend
Trance ist ein universelles Phänomen, das in unterschiedlichen kulturellen und spirituellen Kontexten vorkommt. Von religiösen Ritualen bis hin zu modernen therapeutischen Anwendungen zeigt Trance, wie stark der menschliche Geist durch äußere Einflüsse verändert werden kann. Unabhängig davon, ob Trance zur Heilung, zur spirituellen Erleuchtung oder einfach zum Erleben tiefer Bewusstseinszustände genutzt wird, bleibt sie ein faszinierendes und vielschichtiges Thema der menschlichen Erfahrung.
Moderne Forschung und Kontroversen
Obwohl Trance und Besessenheit tief in kulturellen und religiösen Traditionen verwurzelt sind, bleibt die moderne Wissenschaft in Bezug auf diese Phänomene gespalten. Einige Wissenschaftler betrachten sie als Ausdrücke psychologischer Zustände, während andere ihre spirituelle oder übernatürliche Natur anerkennen.
Neurowissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Trancezustände durch Veränderungen der Gehirnaktivität in bestimmten Bereichen gekennzeichnet sind, insbesondere im frontalen Kortex, der für die bewusste Kontrolle von Gedanken und Handlungen verantwortlich ist. Während der Trance ist die Aktivität in diesen Bereichen reduziert, was möglicherweise erklärt, warum Menschen währenddessen weniger Selbstbewusstsein und Kontrolle über ihre Bewegungen haben.
Es gibt auch anhaltende Debatten darüber, ob Besessenheit als psychisches Gesundheitsproblem oder als kulturelles Phänomen betrachtet werden sollte. In einigen nicht-westlichen Kulturen ist Besessenheit Teil der kulturellen Identität und spirituellen Praxis. Westliche Psychologen neigen dazu, diese Phänomene als Ausdruck von psychischen Störungen zu interpretieren, was zu Missverständnissen und Fehlbehandlungen führen kann.
Schlussgedanke
Trance und Besessenheit sind Phänomene, die tief in der menschlichen Erfahrung und Kultur verwurzelt sind. Während die Psychologie versucht, diese Zustände durch wissenschaftliche und neurologische Modelle zu erklären, bleiben spirituelle und kulturelle Interpretationen weiterhin relevant. Für viele Menschen sind Trance und Besessenheit nicht nur Anzeichen einer Bewusstseinsveränderung, sondern auch Tore zu anderen Dimensionen des Seins – sei es durch den Kontakt mit Geistern, Ahnen oder Gottheiten.
Die Erforschung dieser Phänomene verdeutlicht, wie eng Körper, Geist und Kultur miteinander verflochten sind und wie unterschiedlich das menschliche Bewusstsein in verschiedenen Kontexten interpretiert werden kann. Trance und Besessenheit bleiben auch heute faszinierende Felder, die sowohl wissenschaftliche als auch spirituelle Disziplinen weiter beschäftigen.
Bildquellen
- Hamatsa shaman: Edward Curtis, Public domain, via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0
- Siegel: Bild von Tayeb MEZAHDIA auf Pixabay | Pixabay-Lizenz
- Zauberbuch: Bild von Andy auf Pixabay | Pixabay-Lizenz
- SophiaMystical: Autor/-in unbekanntUnknown author, Public domain, via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0